Hintergründe zu Saatgut und Sorten

Hintergründe zu Saatgut und Sorten

Dottenfelderhof züchtet widerstandsfähige Kartoffelsorten

Artikel im Infobrief Saatgutfonds | 24.02.2020

Krankheiten wie die Kraut- und Knollenfäule können Biobauern, die keine Pflanzenschutzmittel einsetzen, schnell hohe Ertragsverluste bescheren. Lange Zeit gab es wenige Kartoffelsorten, die neben anderen gewünschten Eigenschaften wie Geschmack und Kocheigenschaften auch eine ausreichende Widerstandsfähigkeit gegenüber Kraut- und Knollenkrankheiten aufwiesen.

Dr. Hartmut Spieß vom Dottenfelderhof, der sich seit Jahren mit der Züchtung neuer, widerstandsfähiger Sorten beschäftigt, hat nun seinen Zuchtstamm Novira beim Bundessortenamt zur Zulassung angemeldet. Im aktuellen Infobrief Saatgutfonds findet sich ein Interview mit dem Züchter, in dem er auch berichtet, was ihn an der Züchtung verschiedener Kulturen begeistert.

Unbenannt

Composite Cross Populations (CCPs)

im ökologischen Weizenanbau in Deutschland | 31.01.2020

Sich ändernde klimatische Verhältnisse sowie das vermehrte Auftreten von unvorhersehbaren Extremwetterereignissen wirken sich auf Erträge, Kornqualitäten und die Verbreitung von Krankheiten und Schädlingen im Anbau von Weichweizen aus. In den letzten Jahren kam es bei Weichweizensorten für den Ökolandbau zu einer verminderten Ertragsstabilität, einem Ausbleiben weiterer Ertragssteigerungen und einem schnellen Verschwinden von Krankheitsresistenzen in Weichweizensorten (AbL NRW, 2010). Eine Strategie zur Erhöhung der Resilienz gegenüber den Veränderungen von Umweltbedingungen ist die Diversifizierung von Anbausystemen – sowohl hinsichtlich der auf einem Betrieb angebauten Kulturen als auch bei der genetischen Diversität innerhalb einer Kulturart (Petersen-Schlapkohl & Weigel, 2015).

Einer der möglichen Ansätze aus diesem Bereich sind sogenannte Composite Cross Populationen (CCPs). Was genau sind CCPs und wo liegen ihre Stärken und Schwächen? Was treibt und behindert eine verstärkte Anwendung dieser “Sorten” in der Praxis? Und: Welche Einschätzung haben Praxisakteure (Landwirt_innen des Ökolandbaus) zu diesen Fragen?

Dem sind drei unserer Studentinnen im vergangenen Sommer nachgegangen. Dazu haben sie den aktuellen Stand der Forschung und Gesetzgebung zu diesem Thema erarbeitet und darüber hinaus mit ökologisch wirtschaftenden Weizenanbauern aus Norddeutschland gesprochen.

Was sind CCPs?

In Deutschland werden im ökologischen Weichweizenanbau hauptsächlich Liniensorten verwendet, da bis jetzt in selbstbefruchtenden Pflanzenarten hauptsächlich reine Liniensorten gezüchtet wurden. Im Züchtungsprozess werden dafür zwei reinerbige Elternsorten gekreuzt, vermehrt und danach gezielt selektiert (s. Abb. 1). Die Nachkommen dieser Kreuzungen bleiben genetisch identisch. Diese sehr enge genetische Basis hat zur Folge, dass innerhalb einer Liniensorte alle Individuen eine hohe Homogenität aufweisen. Somit haben alle Individuen dieselben optimalen Anbaueigenschaften und dieselben Anfälligkeiten für Krankheiten (Messmer et al., 2012).

Im Unterschied dazu dienen CCPs dazu, eine höhere genetische Diversität innerhalb einer Sorte Weichweizen zu erreichen (Finckh, 2008; Finckh, 2017). Verglichen mit Liniensorten sind die Individuen in einer CCP – auch in ihrem Phänotyp – nicht mehr homo-, sondern heterogen. CCPs sollen so Wetterextremen wie Trockenheit oder Hitze, sowie dem Befall mit Krankheitserregern und Schädlingen besser standhalten und darüber hinaus auch dem Verlust der genetischen Vielfalt in aktuellen Weichweizensorten (Liniensorten) entgegenwirken (BLE, o.J.; Beckhoff, 2019a).

Züchtungsverfahren

Im Züchtungsverfahren (s. Abb. 2) wird zunächst eine Vielzahl an Hochleistungssorten nach den gewünschten Eigenschaften ausgewählt und als Eltern miteinander gekreuzt. Da Weizen ein Selbstbestäuber ist, muss dies von Hand geschehen (Döring et al., 2011). Die daraus erhaltenen Samen werden dann an einem Standort ausgesät und durch mehrjährigen Nachbau dort weiter vermehrt. Die Individuen, die genetisch am besten an die aktuelle Umwelt anpasst sind, sollen sich stärker herausbilden. Eine Selektierung nach bestimmten Eigenschaften erfolgt so nicht aktiv durch die Züchterin oder den Züchter, sondern auf natürlichem Wege. Dadurch soll erreicht werden, dass sich die CCPs durch eine natürliche Selektion aktiv an die jeweiligen Standortbedingungen anpassen (Messmer et al., 2012; Burwitz, 2019; Spieß, 2017). Eine Weiterentwicklung der Ausgangsidee von CCPs ohne aktive Auslese ist dann ein Hinzukommen eines Selektionsprozesses durch die anbauenden Landwirt_innen. Dadurch können die CCPs nicht nur an individuelle Bedürfnisse angepasst werden, es trägt auch dazu bei, Landwirt_innen wieder vermehrt in das Züchtungsgeschehen einzubinden (Vollenweider & Spieß, 2016; Döring et al., 2011).

Chancen und Herausforderungen von CCPs

Wie eingangs genannt, bieten CCPs die Chance, Ertragsstabilität in Zeiten stärker schwankender Umweltbedingungen zu gewährleisten (Döring et al., 2011; BLE, o.J.; Beckhoff, 2019a) womit sie wiederum zur Risikominderung für Anbaubetriebe beitragen können. Ihnen wird eine höhere Flexibilität und eine gute lokale Anpassungsfähigkeit zugesprochen (Döring et al., 2011; BLE, o.J.; Kim, 2016; Dottenfelderhof, 2017; Brumlop & Finckh, 2014). Sie werden auch als Möglichkeit diskutiert genetische Vielfalt in der Landwirtschaft auf kostengünstige Weise zu erhalten (Döring et al., 2011; BLE; o.J.; Beckhoff, 2019b).

Allerdings hängen die Eigenschaften einer Cross Composite Population auch stark von der Wahl der Elternlinien ab, die zur Zusammenstellung der jeweiligen CCP Sorte verwendet wurden (Brumlop et al. 2017; Beckhoff, 2019b). Es wird auch bezweifelt, dass CCPs allein zur Gewährleistung des züchterischen Fortschritts ausreichen können (Döring et al., 2011; BLE, o.J.; Brumlop et al., 2017). Außerdem konnten bezüglich verschiedener gewünschter Eigenschaften hinsichtlich Ertragsvolumen, Krankheitsresistenzen oder Qualität bisher keine eindeutigen Aussagen zur Gleichwertigkeit oder gar Überlegenheit von CCPs gegenüber Liniensorten getroffen werden. Weiterhin gibt es Bedenken bezüglich samenbürtiger Krankheiten, da CCPs ihre Vorteile nur durch mehrjährigen Nachbau ausspielen können, was das Risiko z.B. für Steinbrandinfektionen erhöht (Döring et al.2011; Beckhoff, 2018). Bisher gibt es auch noch offene Fragen hinsichtlich der Unterscheidbarkeit und Qualitätsbewertung von CCP Sorten (Döring et al., 2011) sowie Bedenken zur Akzeptanz entlang der Wertschöpfungskette (Weedon, 2018; Beckhoff, 2018). Auch die aktuelle Rechtslage bezüglich der Zulassung stellte Züchter_innen von CCP Sorten in der Vergangenheit vor Herausforderungen (BLE, o.J).

Aktuelles rechtliches Umfeld

Da CCPs die zum Inverkehrbringen von Saatgut erforderlichen Eigenschaften der Unterscheidbarkeit, Einheitlichkeit und Stabilität (DUS- Kriterien) nicht erfüllen können, war das legale in Umlauf bringen dieses Saatguts lange Zeit nicht möglich (BLE, o.J.). Die EU-Verordnung zur Förderung der Biodiversität (2014/150/EU) erlaubte schließlich die testweise Zulassung solcher Sorten für einen begrenzten Zeitraum (bis Ende 2018). Dieser Versuch soll die Erprobung von ‘Populationen’ vereinfachen und zur Schaffung eines geeigneten rechtlichen Rahmens bzw. zur Entwicklung geeigneter Identifikations- und Bewertungskriterien für entsprechendes Saatgut beitragen (BÖLW, 2018; Europäische Kommission, 20.03.2014). 2018  wurde das Experiment noch einmal um zwei Jahre (bis Februar 2021) durch die Kommission verlängert (Europäische Kommission, 12.10.2018).

Darüber hinaus wurde heterogenes Material in der neuen EU Bioverordnung, die 2021 in Kraft treten soll, definiert und sein Einsatz im Biolandbau geregelt (Messmer, 2018; Europäisches Parlament & EuropäischerRat, 30.05.2018). Die Verordnung erkennt ebenfalls an, dass eine für die ökologische Produktion geeignete Sorte „durch ein hohes Maß an genetischer und phänotypischer Vielfalt der einzelnen Vermehrungseinheiten gekennzeichnet ist“ (Messmer, 2018, S. 8; Europäisches Parlament & Europäischer Rat, 30.05.2018).

CCPs werden bereits seit mehreren Jahren vor allem in Europa aber auch in den USA (Döring et al. 2011) im Rahmen verschiedener Forschungsvorhaben untersucht, um ihre Eigenschaften und ihr Verhalten über die Zeit zu beschreiben und zu analysieren, oder um die Sorten weiterzuentwickeln und Märkte zu schaffen. Allerdings gibt es bisher erst wenige Projekte, die die Akzeptanz und Implementierungsmaßnahmen im Praxisanbau sowie den Vertrieb an Verarbeiter_innen untersucht haben. Ein Projekt aus diesem Bereich ist das INSUSFAR Projekt. Burwitz et al. (2019) stellen sich im Rahmen des Projektes die Frage, “ob und wie Populationen in der Praxis angenommen werden”. Lea Burwitz (2019) untersucht in ihrer Forschungsarbeit Faktoren, die die Integration von CCPs in die Wertschöpfungskette von Brot beeinflussen sowie Strategien zur Akzeptanz von CCPs unter Einbezug von Züchter_innen, Landwirt_innen (mit CCP-Anbauerfahrung) und Verarbeiter_innen.

Um auf die Erkenntnisse aus dieser Arbeit zu Einstellungen der Landwirt_innen aufzubauen, wurden für das Projekt der Oldenburger Studentinnen in Abgrenzung zur Arbeit von Burwitz drei Praxisakteure aus Norddeutschland ohne CCP Vorerfahrung befragt. Die Hof-Struktur der befragten Landwirte ist sehr divers und reicht von reinen Ackerbaubetrieben (mit einem großen Anteil Weizen an der Gesamtproduktion) bis hin zu Betrieben, die sowohl Ackerbau als auch Viehhaltung betreiben. Dadurch hat der Anbau von Weichweizen für die befragten Landwirte einen unterschiedlichen (wirtschaftlichen) Stellenwert.

Ergebnisse

Die durchgeführten Interviews zeigten, dass das Konzept von CCPs bisher unter den befragten Landwirten kaum bis gar nicht bekannt ist. Die größten Potenziale wurden, wie auch in der Literatur, in der verbesserten langfristigen Stabilität von CCPs im Vergleich zu Liniensorten und in einer möglicherweise verbesserten Resistenz gegenüber verschiedenen Krankheitserregern gesehen. Als wichtige Herausforderungen wurden, die ebenfalls in der Literatur diskutierten, samenbürtigen Krankheiten und die hohe Unsicherheit über das Verhalten der bisher unbekannten Sorten über die Zeit, insbesondere im Hinblick auf Qualitätseigenschaften bestätigt. Sowohl die einheitliche Abreife, als auch die Ausbreitung von Krankheiten sollten unbedingt (weiter) erforscht werden, da aus den Interviews ersichtlich wurde, dass beide Aspekte einen erheblichen Einfluss auf die Akzeptanz von CCPs haben können. Der Mangel an gesicherten Informationen über die Leistungsfähigkeit von CCPs (hinsichtlich Ertrag aber auch Qualität) und die damit einhergehende wirtschaftliche Unsicherheit wurde somit auch als wichtige Hürde für die weitere Verbreitung von CCPs im praktischen Anbau identifiziert. Einhergehend damit, wurden positive Versuchsergebnisse sowie deren Kommunikation über branchenübliche Kanäle wie z.B. Landessortenversuche als wichtige Treiber identifiziert.

Insgesamt kann man also sagen, dass sowohl Sorteneigenschaften selbst als auch die Kommunikation der Erkenntnisse darüber zu Treibern bzw. Barrieren werden können. Darüber hinaus können Rahmenbedingungen, wie rechtliche Sicherheit oder die finanzielle Absicherung von Experimenten, einen entscheidenden Beitrag zur schnelleren Verbreitung leisten bzw. kann ihr Fehlen zu einer Barriere werden. Es wurde außerdem deutlich, dass eine Offenheit und Akzeptanz entlang der gesamten Wertschöpfungskette und nicht nur im Anbau gefördert werden muss, um CCPs in der Breite zu etablieren.

Winterweizen Brandex-Population. Foto: S. Kußmann (Forschung und Züchtung Dottenfelderhof)

Wie kann man die Hürden für den Anbau von CCP senken?

Aus den identifizierten Treibern und Barrieren wurden verschiedene Handlungsansätze abgeleitet, die dazu beitragen können, die Verbreitung von CCP zu verbessern:

  • Informationen über das Verhalten von CCP Sorten müssten noch einer deutlich größeren Gruppe an Anbaubetrieben zugänglich gemacht werden. Mehr Versuche mit Praxisakteur_innen sind notwendig, um die Sichtbarkeit der Sorten zu erhöhen und Landwirt_innen die Einschätzung zu ermöglichen, ob sie in diesen Sorten Potenzial für die Praxis sehen.
  • Versuche unter Einbezug verschiedener Akteur_innen der Wertschöpfungskette, insbesondere eher handwerklich orientierter Höfe und Verarbeitungsbetriebe können weitere Erkenntnisse generieren und Vorbildcharakter für weitere Akteure_innen haben.
  • Die Bekanntheit und Akzeptanz der CCP Sorten wird davon abhängen, wie erfolgreich die Erkenntnisse zu CCP Sorten auf etablierte Informationskanäle (Fachzeitschriften oder Veranstaltungen, wie z.B. Ökofeldtage) für ökologisch wirtschaftende Betriebe gebracht werden können. Dazu wird individuelles Engagement von Multiplikator_innen aus Forschung und Praxis notwendig sein.
  • Die Konzentration auf Standorte, die tendenziell extremeren Umweltbedingungen ausgesetzt sind, würde die Eigenschaft der Ertragsstabilität von CCPs stärker in den Vordergrund rücken. Auch das Ausmaß der Schwankungen von Umweltbedingungen und die Häufigkeit von Extremwetterereignissen werden für den Stellenwert heterogener, anpassungsfähiger, stabiler Sorten in der Diskussion um Sorten der Zukunft eine Rolle spielen.
  • Kommunikationskonzepte, die emotionale Aspekte wie Regionalität und Unabhängigkeit der Landwirt_innen in den Vordergrund stellen, könnten in der Vermarktung erprobt werden.
  • Darüber hinaus könnte eine finanzielle Absicherung von Betrieben, die den Anbau testen wollen, implementiert sowie die Förderung von Kooperationen zwischen Betrieben zum Aufbau notwendiger Infrastruktur (z.B. für Saatguthygiene) angestoßen werden. Um ein Fortbestehen der der züchterischen Arbeit auch im Bereich CCPs zu sichern, müssten für die ökologische Züchtung insgesamt dauerhaft tragfähige Finanzierungsmodelle entwickelt werden.

Ausblick

Aufgrund vieler noch laufender Anbauversuche und Forschungsvorhaben kann davon ausgegangen werden, dass sich die Informationslage zum Verhalten von CCPs im Vergleich zu Liniensorten noch verbessern wird. Dann können künftig eindeutigere Erkenntnisse in die Praxis kommuniziert werden.

Eine Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette unter Berücksichtigung verschiedener Geschäftsmodelle und Vermarktungswege ist notwendig, um weitere Erkenntnisse über Potenziale und Herausforderungen sowie fördernde und hemmende Faktoren auf den verschiedenen Wertschöpfungsstufen zu gewinnen.  Insbesondere die Sichtweisen von Verarbeiter_innen, Handel und Endkonsument_innen sind bisher eher unterrepräsentiert und bedürfen weiterer Forschung.

Es werden noch weitere Befragungen einer größeren Gruppe unterschiedlicher Anbaubetriebe mit verschiedener Ausrichtung aus mehreren Regionen erforderlich sein, um ein umfassenderes Bild über die Einschätzungen und die Akzeptanz von CCPs durch diese Stakeholdergruppe zu gewinnen und in der Folge die breitere Erprobung von CCPs in der Praxis zu fördern.

Die aktuelle rechtliche Lage in Europa schafft durch die Verlängerung der Ausnahmeregelung zur CCP Anmeldung und durch die Berücksichtigung von heterogenem Material in der neuen EU-Bio-Verordnung aktuell gute Voraussetzungen für eine weitere Entwicklung, Erforschung und Erprobung von CCPs. Es bleibt allerdings offen, ob es Forscher_innen und Züchter_innen gelingen wird, geeignete alternative Beschreibungs- und Bewertungskriterien für die heterogenen, sich über die Zeit dynamisch entwickelnden Sorten zu erarbeiten, rechtliche Änderungen anzustoßen und ihre Erkenntnisse erfolgreich in die Praxis zu übertragen.

Autorinnen: Svenja Puls, Caroline Hoops, Isabel Schödl

Quellen

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Internationale Saatgutmärkte

Ein paar Fakten | 10.09.2019

Bereits 1997 wies die FAO darauf hin, dass sich die Menschheit von 7000 Arten, die historisch gesehen als Nahrung dienen, auf 30 Nutzpflanzen konzentriert, um 90% des Kalorienverbrauchs zu decken (FAO, 1997). Weizen, Reis und Mais allein lieferten 50% der Kalorien (FAO, 1997). Auf den internationalen Saatgutmärkten sind einige wenige Kulturpflanzenarten überproportional vertreten. Kulturen wie Mais, Weizen und Reis machen derzeit fast die Hälfte der weltweiten Saatgutproduktion aus (IMARC, 2019). Die Verwendung immer weniger essbarer Pflanzenarten für den globalen menschlichen Verzehr sowie deren geringere Verfügbarkeit hat sich im 20. Jahrhundert als Trend herauskristallisiert.

Gleichzeitig ist die Saatgut-Wertschöpfungskette komplexer geworden, da Saatgut nicht mehr in landwirtschaftlichen Gemeinschaften produziert wird. Die Züchtung, Saatgutbehandlung, Vermehrung, Verteilung sowie die Laboruntersuchung dazwischen können alle unter einem Dach erfolgen, sind aber meist auf spezialisierte Unternehmen verteilt (Mammana, 2014). Das Canadian Agriculture and Agri-Food Department gibt auf seiner Website mithilfe einer Grafik ein anschauliches Beispiel für eine Saatgut-Wertschöpfungskette.

Der Wert des globalen Saatgutmarktes wurde 2018 auf 60-67 Milliarden USD geschätzt und für die nächsten Jahre wird weiteres Wachstum erwartet (IMARC, 2019; MI, 2018b). Nordamerika stellt den größten Markt für globale Saatgutverkäufe dar, aber die Regionen Asien und Pazifik werden für die nahe Zukunft als die vielversprechendsten Investitionsmärkte identifiziert (MI, 2018b; AMR, 2017).

Die Marktmacht für Saatgut liegt in Nordamerika (ein Drittel des Marktes; IMARC, 2019; MI, 2018b), Europa und Asien, die alle multinationale Agrochemie- und Saatgutunternehmen hervorgebracht haben. Im Jahr 2017 befanden sich zwei der 20 führenden Unternehmen in den USA, zwölf in Europa (Frankreich, Niederlande, Deutschland und Dänemark) und sechs in Asien (China, Japan und Indien) (Zhang, 2017). Die erfolgreichsten Unternehmen sind Bayer-Monsanto, DowDuPont (nach der Fusion technisch in drei Teilkonzerne aufgeteilt (siehe http://www.dow-dupont.com/)), Syngenta (ChemChina) (IMARC, 2019). In den letzten Jahren war der globale Saatgutmarkt eine Bühne für spektakuläre Fusionen und Übernahmen zwischen den wichtigsten Akteuren der Branche (DowDuPont, Syngenta/ChemChina, Bayer-Monsanto).

Konsolidierungsprozesse in Saatgutmärkten

Diese Konsolidierung ist eine für die globale Saatgutindustrie bedenkliche Entwicklung, da sie zu wirtschaftlicher Ineffizienz und Marktversagen führt. Die Schätzungen des Konsolidierungsgrades reichen von 48% (Ragonnaud, 2013) bis 58% (ETC-Group, 2013) Marktanteil der vier führenden Unternehmen (Stand 2012) oder 50% der acht führenden Unternehmen im Jahr 2018 (MI, 2018b). Es ist jedoch zu beachten, dass einige der Unternehmen auf bestimmte Kulturen spezialisiert sind (z.B. zwei niederländische Unternehmen, die sich auf Gemüse bzw. Rasen konzentrieren; Zhang, 2017) und Marktanteile kontrollieren, die in diesen speziellen Bereichen über den allgemeinen Schätzungen liegen.

Der Konsolidierungstrend wird sich in naher Zukunft wahrscheinlich nicht abschwächen, es sei denn, es werden politische Schritte unternommen. Aufgrund wirtschaftlicher Eintrittsbarrieren wie erforderlichen Investitionen, genetischen Ressourcen und Erfahrungen ist es unwahrscheinlich, dass neue Unternehmen in den Markt eintreten werden (Ragonnaud, 2013). Die logische Konsequenz daraus ist, dass Märkte für gentechnisch verändertes Saatgut tendenziell stärker konsolidiert sind als die konventionellen Saatgutmärkte (Bonny, 2014).

So ist beispielsweise der EU-Saatgutmarkt aufgrund seiner Eigenschaft als Nicht-GVO-Markt (GVO = Genetisch veränderte Organismen) weniger konsolidiert als die weltweiten Märkte (Mammana, 2014). Da die Biotechnologie auf dem europäischen Markt fast keine Rolle spielt, wurde eine starke Konsolidierung verhindert. Jedoch kommt es trotz dieses vergleichsweisen diversifizierten Markts auch in der EU in bestimmten Ländern und bei bestimmten Kulturen zu Konzentrationsprozessen (Mammana, 2014). Die Märkte für Gemüse- und Maissaatgut sind stark konsolidiert (Mammana, 2014), während 50% des Getreides auf den EU-Märkten aus nachgebautem Saatgut stammt, was bedeutet, dass die Landwirte in diesen Fällen kein Saatgut kaufen, sondern Teile der Ernte aus dem Vorjahr als Saatgut verwenden (Vilmorin & Cie, 2013). Eine Erklärung für diese Diskrepanz sind die unterschiedlichen Reaktionen der Pflanzen auf Züchtungsbemühungen. Während Mais sehr positiv auf die Hybridisierung des Ertrags reagiert, wurden vielversprechende Weizenhybride noch nicht entwickelt. Die Marktmacht der europäischen Saatgutindustrie ist jedoch groß genug, um deutliche Preiserhöhungen für die Landwirte zu bewirken: Allein zwischen 2000 und 2008 ist Saatgut um 30% teurer geworden. (Mammana, 2014)
Ein weiteres Thema im Zusammenhang mit der globalen Marktkonsolidierung sind die so genannten Crop Orphan Sektoren: Da Unternehmen ihre F&E-Aktivitäten eher auf weit verbreitete Nutzpflanzen mit hohen Investitionsrenditeversprechen (aufgrund der Masse) konzentrieren, vernachlässigen sie weniger profitable, aber regional lebenswichtige Nutzpflanzen (z. B. afrikanische Wurzelgewächse und Hackfrüchte) (Bonny, 2014). Bei den derzeitigen Konsolidierungsprozessen könnten kleinere Unternehmen, die dieses Problem bisher durch die Züchtung von Kleinpflanzen abgefedert haben, in Zukunft absorbiert werden.

Aus Sicht der gesamten Nahrungskette ist dabe jedoch zu berücksichtigen, dass die Konsolidierung der Saatgutindustrie nicht der kritischste Faktor ist: „Trotz des raschen Wachstums und des beträchtlichen Gewichts der führenden Agrobiotech-Unternehmen ist der Einfluss der nachgelagerten Sektoren auf die Nahrungskette nach wie vor dominant.[….][Diese Sektoren] haben eine starke Wirkung auf die gesamte Nahrungskette, insbesondere durch ihre Anforderungen und ihren Einfluss auf das Konsumverhalten sowie auf die Agrar- und Lebensmittelpreise.“ (Bonny, 2014).

Besonderheiten der Sektoren für genverändertes (GV), konventionelles und ökologisches Saatgut

Zuverlässige politische und wissenschaftliche Quellen schätzen, dass gentechnisch verändertes Saatgut zwischen einem Drittel und fast der Hälfte des gesamten Saatgutumsatzes ausmacht (Bonny, 2014; Ragonnaud, 2013). Der Erfolg von GV-Saatgut gegenüber konventionellem Saatgut ist je nach Kultur sehr unterschiedlich. Während GVO bereits weltweit für Baumwolle und Sojabohnen verbreitet sind, scheinen andere wichtige Grund- und Nutzpflanzen (wie Weizen und Reis) einen vernachlässigbaren Anteil zu haben (Ragonnaud, 2013). Außerdem wird GV-Saatgut nicht in allen Regionen und Ländern gleichmäßig angenommen. Im Gegensatz zu Europa, wo gentechnisch verändertes Saatgut aufgrund von Vorschriften und öffentlicher Ablehnung nahezu irrelevant ist, erreichten gentechnisch veränderte Sorten in Nord- und Lateinamerika große Akzeptanzraten (über 90%) für verschiedene Nutzpflanzen (Ragonnaud, 2013; TMR, 2017). Der zweite Sektor, konventionelles Saatgut, kann komplementär zu den Daten für gentechnisch verändertem Saatgut gesehen werden: Je nachdem, welche Marktanteile nicht aus gentechnisch verändertem Saatgut bestehen, handelt es sich um konventionelles Saatgut. Der dritte Sektor, Bio-Saatgut (der Begriff bezieht sich auf Saatgut, das vor dem Verkauf unter ökologischen Bedingungen erzeugt wurde (Art. 12 lit. i, Europäische Bio-Verordnung)), ist derzeit fast vernachlässigbar (MI, 2018a). Da es jedoch für einen Paradigmenwechsel in der globalen Landwirtschaft stehen könnte, ist es einen genaueren Blick wert.

Der Sektor für Bio-Saatgut

Bio-Saatgut macht einen geringen Anteil von etwa 2,4-2,7% (eigene Berechnungen aus IMARC, 2019; MI, 2018a; MI, 2018b) am globalen Saatgutmarkt aus. Es wird jedoch erwartet, dass es in den nächsten Jahren deutlich wachsen wird, getrieben von einer steigenden Verbrauchernachfrage (TMR, 2017). Die USA und Kanada sind derzeit die größten Bio-Saatgutmärkte. Der Markt für Bio-Saatgut ist weniger konsolidiert als der konventionelle und der GV-Markt (MI, 2018a). Einige der führenden Unternehmen sind Tochtergesellschaften von Konzernen, wie z.B. HILD, das zu Bayer-Monsanto gehört. Der größte Teil des Marktes für Bio-Saatgut besteht jedoch aus einer Vielzahl kleinerer, regional agierender Saatgutunternehmen (MI, 2018a; GVR, 2016). Gemüsesaatgut hat den größten Anteil am Umsatz mit Bio-Saatgut. Dies ist ein Unterschied zu den Märkten für konventionelles und gentechnisch verändertes Saatgut, wo Getreide die wichtigste Kultur ist. Für Bio-Saatgut können sowohl das Züchtungsverfahren als auch das Ausgangsmaterial konventionell sein und es können Hybride verwendet werden, es sei denn, es gelten weitere Einschränkungen der Bio-Anbauverbände, z. B. Bioland, Demeter, etc. Einige Länder und Regionen, z. B. die EU, verlangen von den Bioproduzenten, dass sie Bio-Saatgut verwenden, falls vorhanden, andere überlassen die Entscheidung den Bauern, z. B. die USA. Obwohl es kleinere Zuchtprogramme gibt, die sich speziell auf samenfeste, rein ökologisch gezüchtete Sorten konzentrieren (= ökologische Züchtung), stammen mehr als 95% der weltweiten Bio-Produkte aus konventionell gezüchteten Sorten (Lammerts van Bueren et al., 2011).

Mehr Transparenz erforderlich

Allgemein kann festgehalten werden, dass die Saatgutindustrie ihre Geheimnisse bewahrt und die offiziell veröffentlichten Informationen lückenhaft sind (Mammana, 2014). Marktforschungsinstitute verfügen über relevante Daten, detaillierte Informationen sind jedoch nicht frei verfügbar. Daher sind die Diskussionen über die Marktanteile von Saatgut und die Konsolidierung in der Branche angesichts fehlender offizieller Daten und aufgrund ihres politischen Charakters kontrovers und normativ. Dabei streiten sich verschiedene Interessengruppen über geeignete Zukunftsstrategien. Während die einen für eine weitere Industrialisierung der Saatgutversorgung plädieren streben die anderen Saatgutregelungen mit mehr Raum für Alternativen an. Daher sind weitere unabhängige Informationen und Transparenz erforderlich, um eine fundierte Bewertung der aktuellen und zukünftigen Entwicklungen des Saatgutmarktes zu ermöglichen, die als Grundlage für eine objektive und produktive Diskussion dient.

Autorinnen: Nina Gmeiner, Svenja Puls

Quellen

Allied Market Research (AMR). (2017). Seed Market Outlook – 2023. Online verfügbar unter https://www.alliedmarketresearch.com/seed-market

Bonny, S. (2014). Taking stock of the genetically modified seed sector worldwide: market, stakeholders, and prices. Food Security, 6(4), 525–540. https://doi.org/10.1007/s12571-014-0357-1

ETC-Group. (2013). Putting the Cartel before the Horse…and Farm, Seeds, Soil and Peasants etc: Who Will Control the Agricultural Inputs?, 2013 (Communiqué No. 111). Online verfügbar unter http://www.etcgroup.org/putting_the_cartel_before_the_horse_2013

FAO. (1997). The State of the World’s Plant Genetic Resources for Food and Agriculture. Online verfügbar unter http://www.fao.org/3/a-w7324e.pdf

Grand View Research (GVR). (2016). Organic Seed Market Size To Reach $4.59 Billion By 2022. Online verfügbar unter https://www.grandviewresearch.com/press-release/global-organic-seed-market

Lammerts van Bueren, E. T., Jones, S. S., Tamm, L., Murphy, K. M., Myers, J. R., Leifert, C., & Messmer, M. M. (2011). The need to breed crop varieties suitable for organic farming, using wheat, tomato and broccoli as examples: A review. NJAS – Wageningen Journal of Life Sciences, 58(3–4), 193–205. https://doi.org/10.1016/j.njas.2010.04.001

Mammana, I. (2014). Concentration of market power in the EU seed market. The Greens, EFA in the European Parliament. Online verfügbar unter http://www.esporus.org/recursos/Documents%20interessants/Documents/Seeds-study_UK_28-01V3.pdf

Mordor Intelligence (MI). (2018a). Global Organic Seeds Market – Growth, Trends and Forecast (2019 – 2024). Online verfügbar unter https://www.mordorintelligence.com/industry-reports/organic-seed-market

Mordor Intelligence (MI). (2018b). Global Seed Market – Growth, Trends, and Forecast (2019-2024). Online verfügbar unter https://www.mordorintelligence.com/industry-reports/seeds-industry

IMARC Group. (2019). Seed Market: Global Industry Trends, Share, Size, Growth, Opportunity and Forecast 2019-2024. Online verfügbar unter https://www.imarcgroup.com/prefeasibility-report-seed-processing-plant

Ragonnaud, G. (2013). The EU seed and plant reproductive material market in perspective. A Focus on companies and market shares. European Parliarment, Directorate-General for Internal Policies. Online verfügbar unter http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/note/join/2013/513994/IPOL-AGRI_NT(2013)513994_EN.pdf

Transparency Market Research. (2017). Organic Seeds Market – Global Industry Analysis, Size, Share, Growth, Trends, and Forecast 2017 – 2025. Online verfügbar unter https://www.transparencymarketresearch.com/organic-seeds-market.html

Vilmorin & Cie. (2013). Document de référence 2012-2013. Online verfügbar unter http://www.vilmorin.info/vilmorin/CMS/Files/publications/publications%20et%20analyses/rapports%20annuels/VILMORIN_RA2013_Complet_def.pdf

Zhang, J. (2017). Top 20 Global Seed Companies in 2017. AgroPages. Online verfügbar unter https://www.accesstoseeds.org/app/uploads/2018/07/Top20GlobalSeed.pdf

Internationale Sortenschutzabkommen

Auswirkungen auf die Saatgutsouveränität von Kleinbauern | 06.08.2019

Seitdem die Welthandelsorganisation im Jahr 1995 das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) verabschiedet hat, sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, neue Pflanzensorten durch Patentrecht, ein effektives sui generis-System oder durch eine Kombination beider zu schützen. Das bekannteste sui generis-System ist das Übereinkommen des Internationalen Verbands zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV). Seit dessen Gründung durch einige europäische Länder haben sich immer mehr Staaten der UPOV-Gemeinschaft angeschlossen, darunter auch viele Länder des Globalen Südens. Nichtsdestotrotz steht dieses Abkommen immer wieder in der Kritik, die Rechte der Züchter zu sehr in den Vordergrund zu stellen, während die Rechte der Bauern vernachlässigt werden.

Indiens sui generis-System

Auf Drängen der Zivilgesellschaft, hat sich die indische Regierung daher letztlich dazu entschlossen, nicht dem UPOV-Abkommen beizutreten, sondern ein eigenes sui generis-System zu entwickeln, sodass im Jahr 2001 der „Protection of Plant Varieties and Farmers‘ Rights Act“ (PPVFRA) verabschiedet wurde. Gemäß dem Titel kombiniert das Gesetz Züchterrechte und Bauernrechte. Dies ermöglicht es, verschiedenen Interessengemeinschaften gerecht zu werden und macht den indischen Sortenschutz weltweit einzigartig.

Unterschiedliche Auswirkungen der Systeme

Vor dem Hintergrund, dass es schon kurz nach der Verabschiedung des PPVFRA erste Überlegungen seitens der indischen Regierung gab, der UPOV-Gemeinschaft doch beizutreten, hat das Projekt RightSeeds im Rahmen einer Masterthesis die unterschiedlichen Auswirkungen des UPOV-Abkommens und des PPVFRA auf die Saatgutsouveränität (als Teil der Ernährungssouveränität) indischer Bauern und Bäuerinnen untersucht.

Die Arbeit kommt zu dem Ergebnis, dass das UPOV-Übereinkommen alle vier Dimensionen der Saatgutsouveränität beeinträchtigen würde, während diese unter dem PPVFRA weitestgehend gestützt und erhalten werden. Die vier Dimensionen umfassen:

  1. Das Recht, Saatgut aufzubewahren und wieder auszusähen;
  2. Das Recht, Saatgut zu teilen bzw. zu tauschen;
  3. Das Recht, Saatgut für die Züchtung neuer Sorten zu verwenden;
  4. Das Recht, sich an der Gestaltung der Saatgutpolitik zu beteiligen. (Kloppenburg 2014, S. 1234)

Eine Einschränkung der Bauernrechte in Indien wäre besonders folgenschwer: Indische Bauern und Bäuerinnen wechseln flexibel zwischen dem informellen und dem formellen System und somit auch zwischen geschützten und nicht geschützten Sorten. Unter UPOV würde dieses Ineinandergreifen der beiden Systeme auch zu Einschränkungen im informellen Saatgutversorgungssystem führen und dadurch die bäuerliche Saatgutsouveränität zusätzlich einschränken. Da ca. 85% des gesamten Saatguts in Indien informell und häufig durch ärmere (Klein-) Bauern vertrieben werden, würden diese Einschränkungen auch eine Verschlechterung der gesamten Ernährungssituation nach sich ziehen.

Foto: Pixabay

Relevanz für MASIPAG

Diese und ähnliche Prozesse in der Gesetzgebung anderer Länder werden vom Bauernnetzwerk MASIPAG auf den Philippinen mit hohem Interesse verfolgt. Denn auch in ihrem Land würde der Beitritt zu UPOV eine Verringerung der ohnehin schon schmalen Handlungsmöglichkeiten der Landwirte bedeuten. Ebenso wie in Indien, spielt das „informelle Saatgutsystem“ noch immer eine große Rolle für Kleinbauern in den Philippinen und ist Grundlage der Arbeit unseres Praxispartners MASIPAG. Aufbewahrung und Tausch von Saatgut, selten sogar Züchtung, ist dank MASIPAG auf den Höfen ihrer Mitglieder wieder eine gängige Praxis, welche die Unabhängigkeit der Landwirte sichert. Die Philippinen haben bereits ein strenges Sortenschutzgesetz, das eng an die UPOV Bestimmungen angelehnt ist. Eine wichtige Ausnahme besteht jedoch darin, dass (Klein-) Bauern und Bäuerinnen auch Saatgut geschützter Sorten für die Nutzung auf dem eigenen Land untereinander austauschen und sogar verkaufen dürfen. Man fürchtet daher, dass ein UPOV Beitritt diese Ausnahmeregelung, die die Rechte von Landwirt*innen gegenüber großen Züchtern stärkt, aushebeln könnte. Durch das zunehmende Ineinandergreifen des formellen und informellen Saatgutsystems, könnte ein neues sui-generis System (wie z.B. UPOV) auf den Philippinen auch für MASIPAG-Mitglieder in ihrer Arbeit für Sortenvielfalt und Ernährungssouveränität starke Auswirkungen haben.

Quellen:

Kloppenburg, Jack (2008): Seed, Sovereignty, and the Via Campesina: Plants, Property, and the Promise of Open Source Biology 2008. Online verfügbar unter https://dces.wisc.edu/wp-content/uploads/sites/128/2013/08/2008-Seeds-and-Sovereignty.pdf, zuletzt geprüft am 22.02.2019.

Kloppenburg, Jack (2014): Re-purposing the master’s tools: the open source seed initiative and the struggle for seed sovereignty. In: The Journal of Peasant Studies 41 (6), S. 1225–1246. DOI: 10.1080/03066150.2013.875897.

Autorinnen: Franziska Velt, Svenja Puls

NDR-Reportage zu Biosaatgut

14.10.2019

Der Ökolandbau wächst in Deutschland seit Jahren und eine weitere Erhöhung seines Anteils an der Landwirtschaft wird auch politisch angestrebt. Dennoch stammt bisher nur ein geringer teil des ökologisch angebauten Gemüses aus Bio-Saatgut.

Diese NDR Reportage vom 06.10.2019 dreht sich um ökologisch erzeugtes Saatgut. Dabei kommt auch unser Projektpartner Saat:gut e.V. zu Wort.

Ernährungssicherheit und Ernährungssouveränität

30.01.2019

Ernährungssicherheit ist ein Konzept, das schon 1974 auf dem Welternährungsgipfel proklamiert wurde. Ernährungssicherheit wird dabei als Status angesehen, bei dem Menschen zu jeder Zeit körperlichen, sozialen und ökonomischen Zugang zu ausreichender, sicherer und nahrhafter Nahrung haben, die ihren Ernährungsbedürfnissen und persönlichen Präferenzen für ein aktives und gesundes Leben entspricht (World Food Summit, 1996). Um den Zustand der Ernährungssicherheit weltweit und für jeden einzelnen Menschen einschätzen zu können, werden vier Grundsäulen herangezogen. Verfügbarkeit, Zugang, Nutzung und Stabilität von ausreichend und gesunder Nahrung sind somit die Grundbasis eines jeden von uns.

Allerdings verbleibt die weltweite Zahl derer, die chronisch unter Ernährungsunsicherheit leiden mit 795 Millionen Menschen weiterhin extrem hoch (FAO, 2015). Es zeigt sich also, dass das Konzept der Ernährungssicherheit noch nicht für alle Menschen aufgeht. Das Problem liegt in der kapitalistischen Kernidee des Konzeptes. Da die Erträge in der Landwirtschaft nicht beliebig gesteigert werden können, konkurrieren Staaten und Unternehmen gleichsam um Produktionsfaktoren wie Land, Wasser und Nährstoffe. Das wiederum wirkt sich negativ auf sozial- und umweltrelevante Faktoren aus, worunter als erstes schwache Bevölkerungsschichten leiden. Der Abbau von Handelsschranken, wie Einfuhrzölle, durch den IWF und die Weltbank und Investitionsförderung von westlichen Unternehmen in den Ländern des globalen Südens durch Subventionen, sorgt zusätzlich für einen Interessenskonflikt zwischen westlichen Ländern und der Umsetzung von Ernährungssicherheit für die ganze Weltbevölkerung.

Aus dieser Erkenntnis heraus hat sich seit einigen Jahren eine Bewegung gebildet, die eine alternative Herangehensweise versucht.

Der Begriff Ernährungssouveränität tauchte erstmalig Anfang der 80er Jahre in als Ziel in einem mexikanischen Regierungsprogramm auf und wurde das erste Mal auf internationaler Ebene 1988 in der Uruguay-Runde der WTO als neues Konzept diskutiert. La Vía Campesina (eine international Kleinbauernorganisation) definiert Ernährungssouveränität wie folgt: „Food Sovereignty is the right of peoples to healthy and culturally appropriate food produced through ecologically sound and sustainable methods, and their right to define their own food and agriculture systems.“ (La Vía Campesina, 2007). Dabei wird auch Ernährungssouveränität eher weniger als fester wissenschaftlicher Fachbegriff, sondern als politisches Konzept angesehen. Kernstück ist dabei die Demokratisierung der Lebensmittelproduktion, was unabdingbar mit dem freien Zugang zu Produktionsmitteln einhergeht. Allen Völkern der Welt wird damit das Recht auf die eigenständige Produktion und Verteilung von gesunde und kulturell angepasste Nahrung zugesprochen. Die Produktion soll lokal, nachhaltig und unter Achtung der Natur und all ihrer Lebewesen erfolgen. Die Verteilung der Nahrungsmittel stellt lokale Wirtschaftsformen und Märke in den Mittelpunkt. Produktions- und Handelswege sollen transparent und für jeden einsehbar sein. Innerhalb des Konzeptes von Ernährungssouveränität liegen die Nutzungsrechte auf Land, Wasser, Vieh und natürlich auch Saatgut bei denen, die in den Regionen leben und mit den dortigen Ressourcen Lebensmittel produzieren.

Die von La Vía Campesina ins Leben gerufene Bewegung ist in den letzten Jahren zu einem internationale Strom geworden und von vielen Ländern in ihre Arbeit hin zu Ernährungssicherheit aufgenommen worden. Venezuela, Nepal und Senegal habe das Konzept schon in ihre Verfassung aufgenommen und es kann davon ausgegangen werden, dass in den nächsten Jahren weitere Staaten folgen. Auf den Philippinen implementiert unser RightSeeds Praxispartner MASIPAG, ein Bauernnetzwerk, die Ideen des Ernährungssouveränitäts-Konzepts in seiner praktischen und politischen Arbeit.

Das Konzept hat gegenüber der Ernährungssicherheit klare Vorteile und ist zukunftsweisend. Ungeachtet dessen muss sich in den nächsten Jahren beweisen, dass die Umsetzung innerhalb unserer existierenden Systeme der Nahrungsmittelproduktion und –verteilung bestehen kann und wie soziale und ökologische Änderungsprozesse auf eine global funktionierende Ebene gehoben werden können.

Quellen:

FAO, IFAD, WFP, 2015. The state of food insecurity in the world 2015. In: Meeting the 2015 international hunger targets: taking stock of uneven progress.

La Vía Campesina, 2007. Declaration of Nyéléni. Feb 27 2017, Nyéléni Village, Sélingué, Mali.

World Food Summit, 1996. Rome Declaration on Food Security.

samenfest vs. hybrid

Was bedeutet das für die Praxis? | 08.11.2017

Die Bezeichnung „Hybridsaatgut“ wird immer bekannter, oft mit einer negativen Konnotation. Was aber versteht man genau unter hybrid? Was wäre eine Alternative? Und welche Auswirkungen haben die Sorten auf unsere Ernährung und Umwelt?

Hybrides Saatgut entsteht aus einem bestimmten, handwerklichen Zuchtverfahren. Es handelt sich also nicht um Gentechnik. Die Züchterin wählt zwei „Elternlinien“ aus, also zwei unterschiedliche Pflanzensorten, deren positive Eigenschaften sie gerne in einer neuen Sorte vereinen möchte. Jede dieser Elternlinien wird dann über mehrere Pflanzengenerationen hinweg nur mit sich selbst befruchtet, also gezielte Inzucht betrieben. Ziel ist es, dass die Pflanze homozygot wird, also nur noch wenige mögliche Genkombination weitergeben kann, anstatt sehr vielen. Das macht die Weiterzucht planbarer. Wie bei allen ingezüchteten Organismen weisen diese Pflanzen Verformungen auf, sind krankheitsanfälliger und insgesamt wenig robust. Der Zauber der Hybridisierung geschieht nun im nächsten Züchtungsschritt: Wenn diese beiden Inzuchtlinien miteinander gekreuzt werden, kommt es zum „Heterosiseffekt“. Die nachfolgende Tochtergeneration (auch F1-Generation genannt) besitzt nicht nur die gewünschten Eigenschaften beider Elternlinien, sondern ist zusätzlich hochertragreich und vitaler (also gesünder und wuchsfreudiger) als Vergleichspopulationen. Dieses Verfahren funktioniert für eine Vielzahl von Getreide- und Gemüsesorten. Im Handel bekommt man als „Hybridsaatgut“ also das Saatgut, das nach der Kreuzung der beiden Inzuchtlinien entsteht.

Aber warum steht das Verfahren nun in der Kritik? Meistens wird die Auswirkung auf die Landwirte und den Anbau kritisiert: der Effekt, dass die Pflanzen gesund sind und Rekorderträge liefern hält nämlich nur für eine Generation an. Nach den mendelschen Regeln zerfällt das Genom der nachfolgenden Generation. Das führt zu genetisch sehr diversen Pflanzen-Individuen: Aussehen, Ertrag, Reifezeit und viele andere Faktoren sind dann so verschieden, dass keine sicheren Erträge mehr garantiert werden könne. Für den Anbau mit Maschinen sowie den Verkauf an den Großhandel (der hohe Standards an Einheitlichkeit fordert) ist dieses Saatgut also ungeeignet. Heißt im Klartext: der Landwirt muss das Saatgut für diese Sorte jedes Jahr wieder einkaufen und kann nicht einfach einen Teil seiner Ernte wieder aussäen. Weniger oft werden die Probleme für die Züchter angesprochen: weil sich die Nachfolgegenerationen der Hybridsorten so unterschiedlich verhalten, kann man mit ihnen kaum weiterzüchten – die Ergebnisse sind nicht abschätzbar und die Zucht würde unverhältnismäßig aufwendig. Außerdem werden die Elternlinien der Hybride von den Züchtungsunternehmen oft geheim gehalten. Für andere Züchter ist deshalb nicht abschätzbar, was tatsächlich in der Sorte drinsteckt und wie sie sich bei einer Weiterzucht verhalten könnte. Der Anteil an Hybridsorten in den industrialisieren Landwirtschaft nimmt immer weiter zu, das führt zu einer voranschreitenden Verdrängung herkömmlicher Sorten:  bei Mais und Zuckerrüben werden beispielsweise fast nur noch Hybride angebaut. Mit jeder Hybridsorte wird es allerdings für die Züchter schwieriger neue, dem Klima und den menschlichen Bedürfnissen angepasste Sorten entwickeln zu können. Ethische Puristen kritisieren noch einen Aspekt: eine Inzucht, also Befruchtung mit sich selbst, ist für viele Pflanzenarten unnatürlich. Der Organismus wird also in eine Fehlentwicklung gezwungen, um dem Menschen besonders dienlich zu sein. Das wirft die Frage nach der Verantwortung der Menschen in der Nutzung seiner Umwelt auf. Was für Pflanzen wie ein Luxusgedanke scheinen mag bekommt eine neue Dimension, wenn man sich vor Augen führt, dass Hybridzucht auch in der Entwicklung neuer Nutztierrassen längst üblich ist – mit den gleichen, praktischen und grotesken Folgen.

Kommen wir zur zweiten Frage: Was wäre eine Alternative? Neben der Hybridzucht und gentechnischen Zuchtverfahren wird auch heute noch klassische Selektionszucht betrieben, also die Entwicklung neuer Sorten durch gezielte Auswahl von einzelnen Pflanzen mit erwünschten Eigenschaften aus großen Pflanzenbeständen. Hierbei entstehen „samenfeste“ oder „nachbaufähige“ Sorten, also Sorten, deren Samen bei Wiederaussaat im nächsten Jahr Pflanzen entstehen lassen, die den Eltern sehr ähnlich sind. Oft sind die Sorten gleichzeitig robuster gegen Schädlinge und Umwelteinflüsse. Nachteile haben diese Sorten vor allem in der industrialisierten Landwirtschaft: sie sind nicht so einheitlich, wie Hybridpflanzen und lassen sich schlechter mit Maschinen bewirtschaften. Auch die Früchte variieren in ihrem Aussehen mehr und eignen sich deshalb besser für eine Direktvermarktung, wo der Landwirt dem Kunden im Zweifel erklären kann, warum die eine Möhre einem Baseballschläger gleicht und die andere einem Bleistift – und trotzdem beide schmecken. Außerdem haben sie oft geringere Erträge. Das alles sind Eigenschaften, die die Wirtschaftlichkeit eines modernen Hochleistungsbetriebs gefährden können und ein Grund, warum Hybridsorten im globalen Norden sehr beliebt sind.

Und welche Auswirkungen haben die Sorten auf unsere Ernährung und Umwelt? Das ist schwer pauschal zu sagen und am Ende immer die Entscheidung des Landwirts selbst. Aber um die Unterschiede noch einmal greifbarer zu machen, hier eine Metapher: man kann sich Hybridsorten als ein Rennrad vorstellen und die samenfesten Sorten als ein geländegängiges Stadtrad. Die zurückgelegte Strecke stellt den Ertrag der Sorten dar. Unter idealen Bedingungen, also einer asphaltierten Straße ohne Dreck und Laub und engen Kurven und mit einem jungen, dynamischen Fahrer, ist das Rennrad, also der Hybrid, im Ertrag klar vorne. Es fährt schnell und mühelos eine große Strecke. Sind aber einige der Umweltfaktoren nicht ideal, also sind die Wege unbefestigt oder liegt Schnee, kann das Rennrad schnell komplett nicht mehr fahren, es gibt also einen Ernteausfall. Das Stadtrad kann die Strecke trotzdem noch zurücklegen – vielleicht etwas langsamer als davor, aber einigermaßen sicher und zuverlässig. Die Beschreibung der Straße ist in der Landwirtschaft das Klima, der Boden und die Betriebsmittel, wie Wasser, Dünger und Pestizide. Bei gemäßigtem Klima und genügend Kapital, um Pflanzenschutzmittel und Mineraldünger zu kaufen, stehen die Chancen auf hohe Erträge mit den Hybridsorten am besten. Bei schwierigen Bedingungen ist es schlauer, geringere, aber dafür wesentlich sicherere Erträge mit samenfesten Sorten einzufahren. Vor allem, wenn die Familie des Landwirts direkt oder indirekt auf diese Nahrungsmittel oder das daraus generierte Einkommen angewiesen ist. Könnte man die ganze Welt mit dem Anbau samenfester Sorten bei geringeren Erträgen ernähren? Darüber streiten sich die Gelehrten und die Antwort hängt stark davon ab, ob die Lebensmittelverschwendung verringert werden kann und vor allem, ob der Fleischkonsum zurückgeht und dadurch mehr Pflanzenkost direkt für den menschlichen Verzehr zur Verfügung steht. Wichtige, direkte Schlussfolgerungen aus dem Anbau der verschiedenen Sorten können auch für die Umwelt gezogen werden: durch die Notwendigkeit idealer Bedingungen beim Anbau von Hybridsorten wird deutlich, dass sich Düngung und Pestizideinsatz kaum vermeiden lassen. Die Sorten können sonst nicht halten, was sie an Ertrag versprechen. Besonders auch mit Blick auf zunehmende, extreme Wetterereignisse aufgrund des Klimawandels trägt ein vielseitiger Anbau von robusten Sorten zu einer größeren Ernährungssicherheit bei. Beim großflächigen Anbau einer sehr einheitlichen Sorte kann sonst starker Niederschlag oder eine Hitzewelle schnell zum Komplettausfall führen. Eine umweltverträgliche Landwirtschaft wird sich mit dem Anbau von Hybridsorten also kaum erreichen lassen. Bei samenfesten Sorten bleibt mehr Spielraum bei dem Einsatz der Betriebsmittel. Zum einen ist das schön für eine umweltschonende Landwirtschaft im globalen Norden und mitunter essentiell für Kleinbauern im globalen Süden, die sich den Stoffeinsatz oft nicht ohne weiteres leisten können. Zum anderen lassen sich die Wahl der Sorte und die Folgen für die Umwelt also nicht ganz unabhängig voneinander denken, auch wenn das dem Verbraucher durch Düngeverordnungen, etc. gerne vorgegaukelt wird.

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