Hintergründe zu (Seed) Commons

Hintergründe zu (Seed) Commons

29.09.2020

Das Unternehmen Dreschflegel als Commons-Alternative im Saatgutsektor – eine Fallanalyse

Im Rahmen ihrer Masterarbeit hat Kristina Kötterheinrich erforscht, inwiefern sich das  Unternehmen Dreschflegel und der dazugehörige Verein in das Konzept der Commons eingliedert. Dreschflegel vertreibt als Versandhandel biologisches Saatgut und bietet ein vielfältiges Sortiment an Nutzpflanzen, das auch viele alte Sorten enthält.

Die Probleme von Sortenarmut und ihre Ursachen legen nahe, dass eine Rückkehr zu Commons im Saatgut-Sektor einen Lösungsansatz für den Erhalt der Sortenvielfalt bieten könnte. Dreschflegel war bereits vor dem Beginn dieser Fallstudie als Initiative bekannt, die den Erhalt der Sortenvielfalt propagiert. Es galt herauszufinden, inwiefern sich das Unternehmen in unterschiedliche Commons-Konzepte einordnen lässt.

Saatgut spielt in diesen Zusammenhängen nicht nur eine Rolle als physisches Objekt in Form einer Common-pool Ressource, sondern auch als Wissens-Commons und kulturelles Commons, die als Kategorien in neueren Commons-Theorien entwickelt wurden.

Schematisierung des Saatguts als Commons (Quelle: Masterarbeit Kristina Kötterheinrich, eigene Darstellung)

Zugrundegelegte Commons-Theorien

Die Untersuchung zum Stand der Forschung im Bereich der Commons ergab zunächst drei Commons-Konzepte, die hinreichend klar strukturiert für eine vergleichende Analyse waren:

  1. Commons-based peer-production (CBPP) (vgl. Benkler und Nissenbaum 2006, S. 400)
  2. Common-property Regimes (vgl. Ostrom, 1990; Cox et al. 2010)
  3. New Commons (vgl. Hess, 2008; Bollier 2014, S. 175)

Alle neueren Commons-Theorien haben ein paar Gemeinsamkeiten: Sie kehren sich ab vom Modell des Homo Oeconomicus und sehen in Commons eine neue Art der Güterallokation und -produktion. Eigentumskategorien treten in den Hintergrund und die Idee des Commonings und der Einbettung von Gütern in soziale und institutionelle Beziehungen steht im Zentrum, sowie die Selbstorganisation der Nutzer_innen-Gemeinschaft.

Während Ostrom den Fokus auf natürliche Ressourcen legte, beschäftigen sich die New Commons und CBPP vorwiegend mit Ressourcen, die keiner Rivalität im Nutzen unterliegen. Ostrom und Bollier geht es dabei vornehmlich um die Erhaltung von Ressourcen. Die CBPP dreht sich um die Produktion neuer Güter. Für die jeweiligen Sichtweisen und Schwerpunkte wurden unterschiedliche Kriterien erstellt, ab wann ein (erfolgreiches) Commons-basiertes Management vorliegt.

 

Forschungsdesign

Im empirischen Teil der Arbeit wurden mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse Daten aus sechs selbsterhobenen leitfadengestützten Experteninterviews (vgl. Gläser und Laudel 2010, S. 107) mit Gesellschafter_innen der GbR und einschlägigen Dokumenten ausgewertet. Die Auswertung der Ergebnisse der Interviews wurde anhand von Kuckartz´ Vorschlag zur qualitativen Inhaltsanalyse durchgeführt (vgl. Kuckartz 2014, S. 45), bei der ein Kategoriensystem zur systematischen Analyse dient. Im vorliegenden Fall ergeben sich die Hauptkategorien zum einen deduktiv aus Ostroms Institutional Analysis and Development Framework (vgl. Ostrom 2011; Hess und Ostrom 2007) und zum anderen, dort wo das Framework keine passende Einteilung ermöglicht, induktiv aus Sinnzusammenhängen in den Transkripten.

Wissensweitergabe im Saatgut Workshop   (Foto: AbL e.V.)

Ergebnisse

Sowohl Ostroms als auch Bolliers Konzept zeigen sich als geeignete Konzeptualisierungen, um die Organisationsstruktur von Dreschflegel einzuordnen. Die empirische Untersuchung zeigte ein detailreiches Bild der Dreschflegel-Gemeinschaft, das sowohl Aspekte von Ostroms als auch Bolliers Theorie wiedergab. In beiden Theorien ist es wichtig, das Saatgut in seine physische Gestalt und die genetischen Ressourcen, die es in sich trägt, zu unterteilen. Denn während das Saatgut weiterhin von Dreschflegel die klassischen Eigentumsrechte zugesprochen

Dreschflegel kann – obwohl es gleichzeitig ein Unternehmen darstellt und damit nicht direkt ein dritter Weg zwischen Markt und Staat ist – als Commons bezeichnet werden. Die Analyse zeigt, dass Dreschflegel entscheidende Gemeinsamkeiten mit Ostroms klassischen Commons besitzt und auch viele Parallelen zu den von Bollier beschriebenen New Commons aufweist. Auch das klassische Muster beider Commons-Ansätze, Commons in Ressource, Gemeinschaft und Regelsystem zu unterteilen, ist gut auf Dreschflegel anwendbar. Denn die Dreschflegel-Gemeinschaft bildet den institutionellen Rahmen, den es benötigt, um Sortenvielfalt zu erhalten. Dieser Rahmen beinhaltet sowohl ein ausgearbeitetes Regelsystem als auch eine Gemeinschaft mit Werten und Normen. Diese Gemeinschaft bildet nicht nur die GbR, sondern auch der Verein Dreschflegel, der als gemeinnützige Organisation den Erhalt der Sortenvielfalt unterstützt.

Die Arbeit zeigt auf, wie Commons-Strukturen genutzt werden können, um Sortenvielfalt zu erhalten. Dreschflegel bietet ein interessantes Konzept, das das oft thematisierte Problem der Finanzierung von Commons (z.B. Erhalt von Erbgut) im Saatgutsektor auf seine eigene Weise gelöst hat. Während insbesondere New Commons-Theorien zumeist Commons jenseits des Marktgeschehens und als Gegenmodell zum Kapitalismus einordnen, erscheint Dreschflegel als Hybrid. Das Unternehmen nutzt den Markt gleichzeitig zur Finanzierung der Tätigkeiten seiner Mitarbeiter_innen und zur Verbreitung von biologischem, nachbaufähigem Saatgut, das den Kund_innen eine Alternative zu herkömmlichem Saatgut bietet. Der Katalog dient zusätzlich dazu, Informationen über Samenbau und Sorten weiterzugeben.

Eine ausführlichere Zusammenfassung der Masterarbeit findet sich hier.

Quellen

Benkler, Y.; Nissenbaum, H. (2006): Commons-based Peer Production and Virtue. In: J Political Philosophy 14 (4), S. 394–419. DOI: 10.1111/j.1467-9760.2006.00235.x.

Bollier, D. (2014): Think like a Commoner. A short introduction to the life of the commons.

Cox, M.; Arnold, G.; Villamayor T., S. (2010): A Review of Design Principles for Community-based Natural Resource Management. In: E&S 15 (4). DOI: 10.5751/ES-03704-150438.

Gläser, J.; Laudel, G. (2010): Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse als Instrumente rekonstruierender Untersuchungen. 4. Auflage (Lehrbuch).

Hess, C.; Ostrom, E. (2007): A Framework for Analyzing the Knowledge Commons. In: C. Hess und E. Ostrom (Hg.): Understanding Knowledge as a Commons. From Theory to Practice, S. 41–81.

Kuckartz, Udo (2014): Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. 2., durchgesehene Auflage (Grundlagentexte Methoden).

Ostrom, E. (2011): Background on the Institutional Analysis and Development Framework. In: Policy Studies Journal 39 (1), S. 7–27.

17.10.2017

Open Source Lizenzen für Saatgut

Angelehnt an die Open Source Entwicklung im Software Bereich,  hat OpenSourceSeeds eine Open Source Lizenz für den Saatgutbereich entwickelt. Ziel der Lizenz ist die möglichst freie Verwendung von Saatgut. Bereits seit 2012 sucht eine Arbeitsgruppe von Agrecol nach einer Möglichkeit das Open-Source-Prinzip auf das Saatgut landwirtschaftlicher Kulturpflanzen anzuwenden. Nach der Veröffentlichung der Lizenz im Juni 2016 wird sie dieses Jahr an den ersten Pioniersorten – der Freilandtomate Sunviva und dem Sommerweizen Convento C – erprobt.

Die Lizenz besteht aus einer sogenannten Material-Übertragungsvereinbarung.  Diese erlaubt dem Lizenznehmer, das Saatgut uneingeschränkt zu nutzen, zu vermehren, weiterzugeben und züchterisch zu verarbeiten. Der Lizenznehmer verpflichtet sich gleichzeitig, jegliche Form von Privatisierung oder Vereinnahmung (z.B. Anmeldung von Sortenschutz) zu unterlassen und künftigen Nutzern des Saatgutes die gleichen Rechte einzuräumen die er oder sie selbst genossen hat. Dieses copyleft Prinzip ist daher viral, da nicht nur das lizenzierte Saatgut, sondern auch alle zukünftig aus dem Saatgut entwickelte Sorten unter die Lizenz fallen.

Die Notwendigkeit für eine neue Rechtsform im Saatgutbereich sehen Lizenzentwickler Dr. Johannes Kotschi und seine Mitstreiter durch die große Zunahme an Patenten und die Oligopolbildung im Saatgutmarkt. Diese unterbindet zunehmend die Züchtung abseits der großen Unternehmen und führt zu großen Verlusten in der genetischen Vielfalt. Für eine Anpassung an den Klimawandel unter den unterschiedlichsten Standortbedingungen weltweit ist jedoch eine Vielfalt im Saatgutsektor dringend notwendig.

Indem die neue Lizenz Saatgut wieder zu einem Gemeingut macht, wird die Züchtung von Sorten innerhalb dieses Parallelmarktes wieder zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe. Zur Finanzierung müssten daher der Staat, aber auch die Akteure entlang der gesamten Wertschöpfungskette stärker beteiligt werden. Wie die Finanzierung eines gemeingüterbasierten Saatgutsystems ausgestaltet werden kann, wird im Forschungsprojekt Right Seeds untersucht. Die Erkenntnisse der Praxispartner fließen hier direkt ein und werden im Rahmen von Fokusgruppen und Workshops weiterentwickelt.

Ähnlich wie OpenSourceSeeds erprobt die Amerikanische Open Source Seed Initiative seit einigen Jahren einen ‚Pledge‘ – eine freiwillige Verpflichtungserklärung – die Sorten vor Privatisierung schützen soll.  Auch in anderen Bereichen der Tier- und Pflanzenzucht, werden momentan Open Source Lizenzen erprobt. Die Initiative OpenSourceBees vom Weltimkerverband Apimondia setzt sich beispielsweise dafür ein, dass die Honigbiene ein Gemeingut und in den Händen der weltweiten Imker-Gemeinschaft bleibt.

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